Q1 2016: Infrastruktur-Wettlauf statt Preiskrieg
SMARTWEB Mobilfunk Report Deutschland Q1 2016
Während sich der Trend zu lukrativen Postpaid-Laufzeitverträgen fortsetzt, werten die Netzbetreiber ihre Tarifangebote teils massiv auf: Höhere Verbindungsgeschwindigkeiten und großzügigere Datenlimits sollen die mobile Internetnutzung befördern und die zögerliche deutsche Kundschaft vom Digital Lifestyle überzeugen.
Auch zum Jahresauftakt 2016 ist die Gesamtzahl der Mobilfunk-Teilnehmer in Deutschland weiter gewachsen. Unterm Strich ergab sich dabei für das Q1 2016 allerdings nur ein leichtes Plus von 160.000 Mobilfunk-Kundenverträgen. Insgesamt vereinten die drei deutschen Netzbetreiber zum 31. März damit rund 113,99 Millionen Mobilfunkverträge.
Weiterhin sehr starkes Wachstum verzeichnete das Segment der besonders lukrativen Postpaid-Laufzeitverträge. Ihre Zahl kletterte im Q1 2016 um weitere 461.000 auf knapp 59,8 Millionen. Diesen Zugewinnen stehen aber einmal mehr etliche Ausbuchungen im Prepaid-Segment gegenüber: Die Zahl der aktiven Prepaid-SIM-Karten ist um rund 300.000 auf 54,2 Millionen zurückgegangen. Damit ist der Prepaid-Anteil am Gesamtmarkt inzwischen auf 47,5 Prozent abgeschmolzen.
Themen im Überblick
Telekom: Rabatte und Smartphone-Geschäft schmälern Umsatz
Der einzige Netzbetreiber, der im Q1 auch im Prepaid-Bereich punkten konnte, war die Deutsche Telekom. Sie konnte zwischen Januar und Ende März 2016 um immerhin 39.000 Prepaid- sowie 231.000 Postpaid-Verträge zulegen. Zusammen ergibt das ein ordentliches Plus von 270.000 Verträgen im Q1 und einen neuen Höchststand von insgesamt 40,64 Millionen Telekom Mobilfunkverträgen.
Trotz des kräftigen Anstiegs an Kundenverträgen - insgesamt konnte die Telekom seit dem Q1 2015 rund 1,44 Millionen Mobilfunkverträge hinzugewinnen - ist der Umsatz der Telekom Mobilfunksparte im Vergleich zum Vorjahresquartal um volle 5,8 Prozent auf 1,94 Mrd. Euro abgesackt. Überraschend kam der Rückgang für die Deutsche Telekom allerdings nicht - die Umsatzentwicklung bewegt sich laut Unternehmensangaben im Rahmen der Erwartungen für das Gesamtjahr 2016.
Von besonderer Bedeutung für den Rückgang des Serviceumsatzes ist die Entscheidung, die im Rahmen der Telekom Magenta EINS Kombi-Produkte gewährten Rabatte vollständig auf den Mobilfunkbereich zu verbuchen. Die Vergünstigungen machen laut Telekom gut einen Prozentpunkt des Umsatzminus von 1,7 Prozent aus (zu Kombi-Tarifen siehe auch DSLWEB Breitband Report Q4 2015).
Noch wesentlich stärker hat sich jedoch der Beschluss ausgewirkt, das eigene Hardwaregeschäft deutlich zurückzufahren. Dass der Gesamtumsatz von Telekom Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent nachgegeben hat, sei zur Hälfte dieser Entscheidung geschuldet. Das hat die Telekom letztlich aber sehr bewusst in Kauf genommen: Zwar sorgt der Smartphone-Verkauf für ordentlich Umsatz, dafür sind die Gewinnmargen für die Mobilfunkanbieter letztlich eher dürr (siehe dazu auch SMARTWEB Mobilfunk Report Q4 2015).
"Wir wachsen wieder": Vodafone hält weiter Kurs
Zum Jahresende 2015 konnte Vodafone eine anderthalb Jahre währende "Durststrecke" beenden und erstmal wieder einen Netto-Zugewinn an Mobilfunkverträgen ausweisen. Zum Jahresauftakt ist Vodafone dagegen wieder knapp am Plus vorbeigeschrammt: Unterm Strich ging die Zahl der Vodafone Mobilfunkverträge im Q1 2016 leicht um 55.000 auf 30,33 Millionen zurück.
Beim Blick auf den Kundenmix zeigt sich aber, dass Vodafone schon seit längerer Zeit heraus aus der Talsohle gefunden hat. Denn während Vodafone zeitweise massiv inaktive Prepaid-Karten ausbuchen musste, ist die Postpaid-Kundenbasis zuletzt stetig gewachsen. Im Q1 2016 fiel der Zulauf an Postpaid-Kunden mit 49.000 Netto-Neuverträgen allerdings verhältnismäßig gering aus, wodurch das effektive Minus von 104.000 Prepaid-Verträgen nicht ausgeglichen werden konnte. Doch auch im Prepaid-Bereich geht die Entwicklung letztlich in die richtige Richtung - denn dieser hat sich in den letzten Monaten sichtlich stabilisiert.
Auf dem Weg der Erholung hat Vodafone Deutschland im Q1 2016 letztlich ein weiteres Etappenziel erreicht - zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren ist der Gesamt-Serviceumsatz wieder angestiegen. Auch wenn sich hier vor allem die Verbesserungen im Festnetzgeschäft widerspiegeln, hat auch der Mobilfunk sein Scherflein dazu beigetragen. Hier nämlich konnte Vodafone ein Umsatzplus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnen.
Telefónica bekommt Smartphone-Sättigung zu spüren
Auch die Zahl der Teilnehmer im o2 Netz ist im Q1 2016 um 55.000 gefallen. Zum 31. März 2016 zählte der Betreiber so noch knapp über 43 Millionen Mobilfunkverträge. Zwar fiel der Anstieg an Postpaid-Verträgen mit 181.000 wesentlich stärker aus als bei Vodafone, gleichzeitig musste o2 aber auch einen deutlich höheren Verlust an Prepaid-Verträgen hinnehmen.
Das gute Abschneiden im Postpaid-Geschäft kommt nicht von ungefähr: Derzeit konzentriert sich das Unternehmen mit seiner Premium-Marke o2 stark auf die Kundenbindung und das Management des Kundenstamms, was zu einer stabil niedrigen Abwanderungsquote beigetragen hat. Die Verluste im Prepaid-Bereich dagegen schreibt o2 vor allem saisonalen Effekten nach den starken Zugewinnen im zurückliegenden Sommer zu.
Unter den deutschen Netzbetreibern weist o2 mit 44,8 Prozent allerdings noch immer die mit Abstand niedrigste Postpaid-Quote innerhalb seines Kundenstamms auf. Das Übergewicht der weniger einträglichen Prepaid-Verträge dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass der Mobilfunk-Serviceumsatz von o2 im Q1 2016 gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,3 Prozent abgesunken ist.
Einen regelrechten Einbruch hat o2 allerdings im Hardwaregeschäft erlebt: Während der Umsatz aus Mobilfunk-Hardware im Weihnachtquartal 2015 noch 17,9 Prozent über dem des Vorjahreszeitraums gelegen hatte, verzeichnete o2 im Q1 2016 hier einen Rückgang um 5,5 Prozent - die Nachfrage nach Smartphones hat im Vergleich zum Vorjahr spürbar abgenommen, o2 selbst stellt eine "zunehmende Marktsättigung" fest.
Mehr für Mehr: Digitaler Lifestyle soll für Wachstum sorgen
Wie der Blick auf die Kennzahlen der Netzbetreiber zeigt, sind die Serviceumsätze im Mobilfunkgeschäft - trotz der Stabilisierung bei Vodafone - weiterhin unter Druck. Was den Netzbetreibern derzeit allerdings erspart bleibt, ist ein echter Preiskampf - alle drei beschreiben den deutschen Markt daher auch als weitgehend "rational".
Zwar ist bei den reinen Serviceprovidern eine wachsende Preisdynamik zu beobachten, doch diese machen letztlich einen vergleichsweise geringen Anteil am Gesamtmarkt aus: Laut Jahresbericht der Bundesnetzagentur erzielten die Netzbetreiber im Mobilfunk 2015 einen Außenumsatz von rund 22,22 Mrd. Euro, die Serviceprovider hingegen kamen insgesamt nur auf etwa 4,76 Mrd. Euro.
Statt an der Preisschraube zu drehen und mit möglichst niedrigen Einstiegspreisen auf Kundenfang zu gehen, fahren die Netzbetreiber eine gänzliche andere Strategie, die Vodafone nicht unpassend als "More for More" umschreibt. Im April 2016 hat beispielsweise die Deutsche Telekom ihre MagentaMobil Tarife verteuert und im Gegenzug mit deutlich höheren Inklusivvolumen ausgestattet.
Kurz darauf haben auch die beiden Konkurrenten nochmals die monatlichen Datenlimits ihrer Vodafone Red und o2 Blue Flaggschiff-Tarife aufgestockt - allerdings ohne die Grundpreise zu erhöhen. Deutliche Verbesserungen haben in den letzten Monaten auch die Prepaid Angebote der großen Netzbetreiber erfahren. Das betrifft vor allem den schnellen LTE Mobilfunk, der für viele Prepaid-Tarife erstmals freigeschaltet wurde.
Kurzgefasst erhalten die Endkunden nun in aller Regel mehr für das eigene Geld. Den Interessen der Netzbetreiber läuft das aber keineswegs zuwider. Denn obwohl das mobile Datengeschäft auch hierzulande der entscheidende Wachstumstreiber auf dem Mobilfunkmarkt ist, gehören die Deutschen international bislang zu den Nachzüglern bei der mobilen Internetnutzung. Das zeigt zum Beispiel die folgende Aufstellung, in der die mobile Datennutzung von Vodafone Vertragskunden in verschiedenen europäischen Ländern vergleichen wird:
Vodafone-Region |
Durchschnittliche Datennutzung |
Veränderung zum Vorjahr |
---|---|---|
Deutschland |
764 MB/Monat |
+ 23,2% |
Vereinigtes Königreich |
1.389 MB/Monat |
+ 75,8% |
Italien |
1.461 MB/Monat |
+ 46,1% |
Spanien |
1.537 MB/Monat |
+ 57,3% |
Durchschnitt Europa |
1,1 GB/Monat |
+ 46% |
Wenn die Netzbetreiber LTE für mehr Kunden zugänglich machen, die nutzbare LTE Geschwindigkeit erhöhen und die inkludierten Datenvolumen aufstocken, ist das nicht nur ein probates Mittel, die aggressive Preisgestaltung von Serviceprovidern auszukontern. Vielmehr soll dadurch auch das Interesse an umsatzstarken Premium-Angeboten weiter angeheizt werden.
Das wiederum zahlt sich für die Mobilfunkanbieter aus. Nicht nur werden höherwertige Vertragstarife für die Kundschaft attraktiver und es ergeben sich neue Upselling-Gelegenheiten, schon zum Jahresende 2015 etwa wurde von 77 Prozent der o2 Mobilfunkkunden mit eingeschalteter Datenautomatik mindestens ein kostenpflichtiger "Datensnack" nachgebucht.
Die möglichst hohe Verbreitung von LTE - und zwar möglichst schnellem LTE - ist deshalb auch der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum. Denn mit dem Zugang zu LTE steigt auch der Datenhunger der Nutzer. Während etwa der mobile Datenverkehr im o2 Netz im Jahresvergleich um 28 Prozent zugelegt hat, ist der Durchschnittsverbrauch der o2 LTE Vertragskunden im gleichen Zeitraum um 50 Prozent auf 1,2 GB/Monat in die Höhe geschnellt. Getrieben wird der Datenverbrauch laut o2 vor allem durch Musik- und Videostreaming-Dienste - also anspruchsvolle Anwendungen, die eine schnelle und stabile Datenverbindung erfordern.
So hat auch der Telekom CEO Timotheus Höttges in der Telefonkonferenz zum Q1 2016 darauf verwiesen, dass die entscheidenden Kämpfe auf dem deutschen Mobilfunkmarkt eher über die Infrastruktur als über die Endkundenpreise ausgetragen werden. Kein Wunder, dass die Großen Drei den Netzausbau auch 2016 mit Hochdruck vorantreiben. Das LTE Netz der Telekom erreichte zum Ende des Q1 2016 bereits eine Bevölkerungsabdeckung von 91 Prozent, trotzdem will die Telekom ihre Investitionen in den Ausbau gegenüber dem Vorjahr nochmals erhöhen.
Vodafone wiederum kann aktuell rund 87 Prozent der Bevölkerung mit schnellem LTE versorgen und will noch dieses Jahr in rund 50 Großstädten LTE Datenverbindungen mit bis zu 375 Mbit/s (bisher maximal 225 Mbit/s) anbieten. Telefónica Deutschland bleibt dabei fast so etwas wie die Wildcard: Das Unternehmen will im Sommer mit der Zusammenlegung seiner beiden LTE Netze beginnen. Ob das aber tatsächlich dazu führt, dass der derzeit kundenstärkste deutsche Netzbetreiber seinen beiden Konkurrenten bis zum Jahresende - wie als Zielsetzung ausgerufen - in Sachen Netzqualität "auf Augenhöhe" begegnen kann, bleibt abzuwarten.
Weiterführende Informationen zu den einzelnen Anbietern
Als Ergänzung zum vierteljährlich erscheinenden Mobilfunk Report bereitet SMARTWEB die Geschehnisse auf dem deutschen Markt in News-Meldungen auf und stellt zusätzliche Info-Grafiken zu den einzelnen Netzbetreibern bereit. Der Stand zum 1. Quartal 2016:
DSLWEB Archiv: Der deutsche Mobilfunkmarkt im Rückblick
Die Quartalsberichte, die SMARTWEB regelmäßig veröffentlicht, bilden immer nur den aktuellen Stand der Verhältnisse auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ab. Um Trends zu verfolgen und Rückschlüsse auf die Marktentwicklung ziehen zu können, bedarf es den Blick auf längerfristige Zeiträume.
SMARTWEB begleitet den deutschen Mobilfunkmarkt seit 2012 mit vierteljährlichen Reports. Über den Gesamtindex lassen sich alle bisherigen Ausgaben zentral abrufen.
Zur Gesamtübersicht: SMARTWEB Mobilfunk Report Deutschland
Alle SMARTWEB Mobilfunk-Reports aus dem Jahr 2016 lassen sich auch direkt über folgende Links erreichen: