Q2 2017: Das Erwachen der vierten Macht

SMARTWEB Mobilfunk Report Deutschland Q2 2017

Geht alles nach Plan, ist es bald vorbei mit der trauten Dreisamkeit: Mit der Übernahme von Drillisch durch United Internet entsteht eine neue starke Kraft auf dem deutschen Mobilfunkmarkt. Nicht auszuschließen, dass sich der Internetkonzern aus Montabaur am Ende sogar zum neuen vierten Netzbetreiber aufschwingen könnte.

von Ingo Hassa
Aktualisiert 05.04.2018
Mobilfunk Report Q2 2017 - Das Erwachen der vierten Macht
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Im Q2 2017 hat die Gesamtzahl der Mobilfunk-Kundenverträge in Deutschland erstmals  die Marke von 118 Millionen überschritten. Unterm Strich konnten die drei deutschen Netzbetreiber dabei um 534.000 Kundenverträge zulegen. Damit hat sich das starke Vertragswachstum aus dem ersten Quartal nahtlos fortgesetzt. Allerdings stammte die überwiegende Mehrheit der Netto-Neuverträge diesmal aus dem Prepaid-Segment, die Zahl der Postpaid-Laufzeitverträge wiederum ist zwischen April und Ende Juni nur noch um 95.000 angestiegen.

Seit Jahresbeginn ist der Postpaid-Anteil auf dem deutschen Mobilfunkmarkt erstmals wieder leicht rückläufig: Im Laufe des ersten Halbjahres ist er um 0,2 Prozentpunkte auf 53,3 Prozent abgesunken. Das lukrative Postpaid-Segment stellt bereits seit Ende 2014 die Mehrheit der Mobilfunkverträge in Deutschland.

SMARTWEB Mobilfunk Report Q2 2017

Postpaid-Wachstum hat sich merklich verlangsamt

Die Zahl der Teilnehmer im Netz der Deutschen Telekom wächst und wächst - da war ein kleiner Dämpfer fast schon überfällig. Den gab es nun im Q2 2017: Alles in allem hat die Telekom in diesem Quartal rund 103.000 Verträge eingebüßt, der erste effektive Rückgang seit zweieinhalb Jahren. Zum 31. Juni 2017 lag die Gesamtzahl der Telekom Mobilfunkverträge damit nur noch knapp über 42 Millionen.

Dabei waren es vor allem Postpaid-Verträge, die auf der Strecke geblieben sind. So konnte die Telekom im Q2 2017 zwar um 83.000 Prepaid-Verträge zulegen, gleichzeitig aber ist die Zahl der Laufzeitverträge im Telekom Netz um 186.000 zurückgegangen. Das allerdings lag vor allem am schlechten Abschneiden der kleineren Serviceprovider, die zusammen auf ein Minus von rund 414.000 Laufzeitverträgen kamen. Die beiden Eigenmarken Telekom und Congstar wiederum konnten im Q2 2017 einen ordentlichen Zuwachs von 280.000 Postpaid-Verträgen verbuchen.


Telefónica Deutschland wiederum konnte im Q2 einen äußerst hohen Vertragszuwachs einfahren. Insgesamt hat der kundenstärkste deutsche Netzbetreiber zwischen April und Ende Juni 2017 um volle 519.000 auf fast 45,2 Millionen Kundenverträge zugelegt. Doch auch hier zeigt sich ein ähnlicher Trend wie bei der Deutschen Telekom: Während das Prepaid-Segment um weitere 322.000 Verträge gewachsen ist, kam der Anbieter im Postpaid-Segment nur auf vergleichsweise schwache 197.000 Netto-Neuverträge.

Mit einer dauerhaften Postpaid-Flaute ist allerdings kaum zu rechnen. Denn mit der rapide steigenden Datennutzung sind entsprechend gut ausgestattete Premium-Angebote natürlich weiterhin besonders attraktiv. Das zeigt auch der erfolgreiche Start eines Spezialangebots, das o2 im Mai anlässlich seines 15. Markengeburtstags aufgelegt hat. Der Jubiläumstarif mit vollen 15 GB Datenvolumen wurde nicht nur gut angenommen, erste Auswertungen zeigten zudem, dass das hohe Inklusivvolumen auch deutliche Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten hat. Während der durchschnittliche o2 LTE Kunde im Q2 2017 auf einen monatlichen Datenverbrauch von 2 GB kam, versurften Nutzer mit dem Aktionstarif im Schnitt bereits mehr als 3 Gigabyte pro Monat.

Die Erkenntnisse aus dem Geburtstags-Angebot flossen laut o2 dann auch direkt in die bereits geplante Überarbeitung des gesamten o2 Free Tarifportfolios ein. Anfang September 2017 sind die neuen Tarife schließlich an den Start gegangen - mit deutlich erhöhten Datenvolumen (siehe auch SMARTWEB Mobilfunk Report Q3 2017).

Bei Vodafone schließlich war von einem Ungleichgewicht im Q2 2017 nichts zu spüren. Dem soliden Plus von 84.000 Postpaid-Verträgen stand hier ein kleiner Zuwachs um 34.000 Prepaid-Teilnehmer entgegen. Insgesamt legte der Netzbetreiber im zweiten Quartal damit um 118.000 auf 30,838 Millionen Mobilfunkverträge zu.


Wird United Internet der neue vierte Netzbetreiber?

Ende 2014 kam es zu einem entscheidenden Umbruch auf dem deutschen Mobilfunkmarkt: Mit der Übernahme von E-Plus durch Telefónica Germany ist die Zahl der Mobilfunk-Netzbetreiber von vormals vier auf drei zusammengeschrumpft. Nach dem Willen der Wettbewerbshüter sollte daraus aber nie ein Dauerzustand werden.

So war die Groß-Fusion seinerzeit an eine Reihe von Auflagen geknüpft, die nicht zuletzt den Eintritt eines neuen vierten Netzbetreibers in den deutschen Markt begünstigen sollten. Zunächst einmal wurde Telefónica dazu verpflichtet einige Mobilfunk-Frequenzen frühzeitig zurückzugeben, die später im Rahmen der großen Frequenzauktion im Sommer 2015 versteigert wurden. Darüber hinaus verpflichtete sich der Netzbetreiber, einem kleineren Wettbewerber oder einem komplett neuen Player einen erheblichen Teil seiner Netzkapazitäten zur Verfügung zu stellen (siehe auch SMARTWEB Mobilfunk Report Q3 2014).

Doch diese Hoffnungen wurden enttäuscht. Ein "echter" neuer Netzbetreiber ließ weiter auf sich warten. Die Netzkapazitäten von o2 gingen an die Drillisch AG, die dadurch zwar lediglich zum virtuellen Netzbetreiber aufstieg, sich durch den Deal aber weiterführende Möglichkeiten offenhielt. Natürlich war die Drillisch AG nicht die einzige Partei, die an den Netzkapazitäten interessiert war. Unter anderem hatte sie sich im Bietergefecht auch gegen den 1&1 Mutterkonzern United Internet durchgesetzt - eine der schwereren Schlappen für die deutsche "Internetfabrik". Über einige Umwege und mit einiger Verspätung ist United Internet nun aber doch ans Ziel gekommen: Anfang Mai verkündete das Unternehmen einen komplexen Deal mit Drillisch, in dessen Rahmen die Drillisch AG und die 1&1 Telecommunications SE zu einem neuen Komplettanbieter unter dem Dach der United Internet AG zusammengeführt werden sollen (Hammer auf dem Mobilfunkmarkt: United Internet übernimmt Drillisch).

Bislang hat sich United Internet darauf beschränkt, Kapazitäten in den Netzen von o2 und Vodafone einzukaufen. Mit der Drillisch-Übernahme hat sich die Stellung des Anbieters wesentlich verändert. Denn nicht nur hat man nun über lange Jahre festen Zugriff auf 30 Prozent der Telefónica-Kapazitäten, in dem Deal sind zudem explizit der Zugang zum heutigen LTE Netz sowie allen weiteren Zukunftstechniken enthalten. Darüber hinaus steht es Drillisch frei, seine eigene Mobilfunk-Infrastruktur zu nutzen und dadurch zum vollwertigen virtuellen Netzbetreiber (Full MVNO) oder am Ende sogar zum echten Netzbetreiber aufzusteigen.

Auch das ist keineswegs ausgeschlossen. Für den letzten Schritt fehlt aber vor allem eines - eigene Frequenzbänder. Tatsächlich dürfte die nächste Gelegenheit, sich entsprechende Funk-Lizenzen zu sichern, nicht mehr lange auf sich warten lassen. Denn voraussichtlich im Q2 2018 soll die nächste große Frequenzauktion anstehen, in deren Rahmen sowohl eine Reihe von im Jahr 2020 auslaufenden UMTS Frequenzen als auch einige weitere Frequenzen für die Umsetzung der kommenden 5G Netztechnologie unter den Hammer kommen werden.

Ob United Internet seinen Hut tatsächlich in den Ring werfen wird, bleibt abzuwarten. Größere Ambitionen scheinen allerdings vorhanden zu sein: Zum Beispiel hat Drillisch im Mai 2017 von der Bundesnetzagentur die eigene Netzvorwahl 015566 zugewiesen bekommen. Diese sei nach Unternehmensangeben auch schon zu Testzwecken im Einsatz - für ein langfristiges Projekt.


Weiterführende Informationen zu den einzelnen Anbietern

Als Ergänzung zum vierteljährlich erscheinenden Mobilfunk Report bereitet SMARTWEB die Geschehnisse auf dem deutschen Markt in News-Meldungen auf und stellt zusätzliche Info-Grafiken zu den einzelnen Netzbetreibern bereit. Der Stand zum 2. Quartal 2017:




DSLWEB Archiv: Der deutsche Mobilfunkmarkt im Rückblick

Die Quartalsberichte, die SMARTWEB regelmäßig veröffentlicht, bilden immer nur den aktuellen Stand der Verhältnisse auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ab. Um Trends zu verfolgen und Rückschlüsse auf die Marktentwicklung ziehen zu können, bedarf es den Blick auf längerfristige Zeiträume.

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Zur Gesamtübersicht: SMARTWEB Mobilfunk Report Deutschland

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